“Entbretonisierung” von Schulen: Bestandsaufnahme eines Kulturkampfes im neuen Schuljahr 2023

In Brest verliert das Collège Kerhallet mit Beginn des Schuljahres 2023 seinen alten Namen und wird zum Collège Joséphine Baker. Die Ankündigung dieser Nachricht sorgte für Unruhe unter den Organisationen, die die bretonische Sprache verteidigen (Breizh Info 28/3/2023), und selbst im offiziellen Kulturinstitut der Bretagne, das auf die Gefahr einer “schleichenden Entbretonisierung unseres Territoriums unter Missachtung der bretonischen Sprache” hinwies. (Ouest France, 6/4/ 2023).

Denn die sprachliche Ersetzung ist nicht auf dieses vorstadtähnliche Viertel von Brest beschränkt. Sie ist sogar im ländlichen Ort Rostrenen zu beobachten: 2011 wurde eine andere schwarze amerikanische Ikone, Rosa Parks, der bretonischsprachigen Dichterin Anjela Duval vorgezogen, um die Berufsschule nach ihr zu benennen. Die Schüler hatten frei abgestimmt, aber natürlich erst nach einer pädagogischen Sensibilisierung, die man sich nur schwerlich als völlig neutral vorstellen kann…

Nach Rostrenen hat die gleiche von Regenbogenfarben geprägte Anregung auch andere Mittelschulen oder Gymnasien in der Bretagne erfasst: Ein weiteres Collège wurde in Rennes in Rosa Parks umbenannt, dazu kommen ein Martin Luther King in Liffré, ein Nelson Mandela in Plabennec und sogar die “große Seele” Mahatma Gandhi in Fougères… In dieser übergreifenden Ausrichtung kann man auch in Plouzané ein Collège Victoire Daubié nennen, eine Feministin aus den Vogesen, die im 19. Jahrhundert aktiv war und nie einen Fuß in die Bretagne gesetzt hat…

Côtes d’Armor: Rechte Entbretonisierung gegen linke Entbretonisierung

Und das ist vielleicht noch nicht das Ende: In der Bretagne ist ein Großteil der Schulen noch “anonym” und trägt, wie im Fall des Collège Kerhallet, den Namen des Ortes, an dem sie gebaut wurden. Das bringt Abgeordnete oder Fachleute aus dem Bildungswesen auf Ideen, wie sie nach Lust und Laune ihre Identität neu zuordnen können.

Im Departement Côtes d’Armor nahm dies vor einigen Jahren unter der Präsidentschaft von Alain Cadec eine politisch unerwartete Wendung. Im Jahr 2018 versucht dieser enge Vertraute von François Fillon, den Namen von Marie-Madeleine Dienesch, einer lokal verankerten gaullistischen Widerstandskämpferin, für das neue Collège in Lamballe durchzusetzen. In dieser ultra-progressiven Stadt, die auf die Drag Queens schwört, kommt der katholische Aktivismus dieser Persönlichkeit jedoch nicht an. Nach undurchsichtigen Verhandlungen handelt der Präsident des Departements einen Kompromiss aus: Es wird Simone Veil, eine zentristische Figur, die für beide Seiten akzeptabel ist.

2020 rächt sich Cadec in der Gemeinde Hillion: Als Herr über die Subventionen setzt er dort den Namen Charles De Gaulle durch, sehr zum Leidwesen des Verwaltungsrats des Collège, der sich bis heute nicht davon erholt hat (der Anrufbeantworter der Einrichtung meldet immer noch “Collège public d’Hillion”).

Vor der Woke-Welle die jakobinische Dampfwalze

Die harte Kampagne im Département 22 war keine Reaktion auf die aktuelle ideologische Welle der Woke-Orientierung. Sie war vielmehr die Rache für eine ältere Welle aus der Jugendzeit von Alain Cadec: Die klassische Linke hatte damals die Schulen schamlos monopolisiert, so dass es nun an der Zeit war, dass die Rechte dort ein paar Fahnen aufstellte, um das Gleichgewicht zu wahren.

Im 20. Jahrhundert war man sich nämlich einig, dass jeder Schuft, solange er nur links war, seinen Platz auf den Schulfronten hatte. So wurde der Lyoner Edouard Herriot, ein gerissener und unermüdlicher, aber keineswegs heldenhafter Politiker, in Rostrenen geehrt, da der damalige Bürgermeister derselben Gruppierung wie er angehörte.

Es gibt jedoch einige Ausnahmen von dieser Hegemonie: Seit 1967 ehrt das Collège de Centre-ville in Rennes Anne de Bretagne. Dies geschah aufgrund einer Entscheidung aus Paris, die über das Rektorat einem lokalen Bildungsmikrokosmos aufgezwungen wurde, der dies nicht wollte. Es handelte sich um eine typisch gaullistische Geste, mit der die Herzogin und Königin, das Symbol der Union der Bretagne und Frankreichs, geehrt wurde.

Ganz allgemein wurden die bretonischen Positionen in jenen Jahren, in denen massenhaft Collèges und Lycées gebaut wurden, bemerkenswert gut verteidigt. So wurden fast alle kulturellen Persönlichkeiten der Bretagne von mindestens einem Collège geehrt: Chateaubriand, Laënnec, La Villemarqué, Renan, Luzel, Le Goffic, Le Braz, Sébillot, Le Flem, Méheut (allerdings nicht in Lamballe, wo er legitimer gewesen wäre als Simone Veil), Jakez Helias, Morvan Lebesque … Anjela Duval und Jeanne Malivel müssen sich mit einer Grundschule begnügen: Brittophobie, Sexismus oder schlichte Unwissenheit?

Die Invasion der Jean Jaurès, Jacques Prévert und Françoise Dolto hat zwar stattgefunden, wurde aber eingedämmt, zumindest in der Sekundarstufe, wo die Mehrheit der Schulen einen bretonischen Namen behält. Wird dies auch bei der aktuellen Offensive der Fall sein? Der heutige Gegenspieler der Woken, der weltweit und hegemonial über die Jugend ist, von der Demografie und den Medien getragen wird und vor allem von einem Teil der bretonischen Kulturszene unterstützt wird, ist weitaus gefürchteter als der klassische französische Jakobinismus.

« Débretonnisation » des établissements scolaires : état des lieux d’une bataille culturelle en cours en cette rentrée scolaire 2023 (breizh-info.com)