Ein Bürgerkrieg findet vorläufig nicht statt – Über das Bündnis von islamischen Marodeuren und Lumpenintelligenz in Frankreich

Die Ereignisse, die ab dem 28. Juni 2023 für ein paar Tage ganz Frankreich erschütterten, waren jedenfalls kein Bürgerkrieg. Ohne die extreme Gewaltbereitschaft der Aggressoren damit herunterzuspielen, die mit der gerne bemühten revolutionären Tradition Frankreichs weder praktisch noch inhaltlich das Geringste verbindet, fehlte die für die Annahme eines Bürgerkriegs entscheidende Gegenmacht, die der Staatsmacht erfolgreich weite Teile des Staatsgebietes abtrotzen könnte. Erst wenn es so weit kommt, wandelt sich der Staat, inklusive seiner Führer und Gefolgsleute, zur Partikularmacht, die sich von den aufständischen Gegnern nicht mehr unterscheidet. Von einem solchen Zustand ist Frankreich weit entfernt, obwohl die Horden aus den Vorstädten und ihre Unterstützer aus der akademischen Mittelklasse tatsächlich auf Bürgerkrieg setzen und danach trachten, die Staatsmacht so lange provozierend herauszufordern, bis sie sich zur Kenntlichkeit entkleidet als der eigent­liche Aggressor zu erkennen gibt, der nicht mehr die Gesellschaft in ihrer überwältigenden Mehrheit repräsentiert, sondern nur die Nutznießer von verbrieften weißen Klassenprivilegien.

Persönliche Sicherheit und Eigentum

Immerhin deutet die erhebliche Aus­-weitung der Kampfzone auf bislang un­be­helligt gebliebene Gebiete darauf hin, dass bei einer Reprise „befreite“ Gebiete entstehen könnten – und sei es durch Massenflucht der dort ansässigen „Weißen“. Die heute als besonders prekär geltenden Banlieues sind seit ca. 1980 in einem schleichenden Prozess der ethnischen Säuberung, dem zuerst die Juden zum Opfer gefallen sind, von teilweise auch sozial durchmischten Wohnvierteln mit angeschlossenen Industriegebieten zu ethnisch weitgehend homogenen Quartieren regrediert, in denen die Gesetze der Republik nur noch sehr eingeschränkt gelten. Doch erst wenn der Staat sich aufgrund einer realen Bürgerkriegsgefahr dazu genötigt sähe, mittels innerer Mobilisierung loyale Staatsbürger in Aktivisten zu transformieren, die nicht beim Selbstschutz stehen blieben, sondern ideologisch aufgeladen gegen einen als volksfremd bestimmten Feind patrouillierten, wäre die Grenze zum Bürgerkrieg erreicht. Anfang Juli 2023 gelegentlich anzutreffende Kleingruppen militanter Rechtsradikaler, die diese Rolle gerne gespielt hätten, sind allerdings genauso unerwünscht wie marginal und noch nicht einmal Vorschein einer inneren Militarisierung.

In ihrer Mehrheit sympathisieren die Franzosen herkunftsunabhängig nicht mit moslemischem Vorstadtgesindel, auch wenn die „weißen“ Mehrheitsfranzosen die größte Gruppe derer bilden, die der Staatsmacht die Stange halten. Mit der gern bemühten Fraternité hat das wenig zu tun; von ihr bleibt nur noch eine von jedem überschüssigen Potenzial gereinigte Akzeptanz der im Zweifel von der Polizei garantierten allgemeinen Sicherheit und Ordnung. Dieses, politische Lager, soziale Stellung und unterschiedliche Herkunft oder religiöse Vorlieben überwölbendes Prinzip ruht auf zwei Säulen auf, die einander bedingen. Da ist erstens die Unantastbarkeit des Individuums, das sich in seiner Wohnung und auf der Straße jederzeit vor Marodeuren oder scheinbar unterhalb der Gewaltschwelle liegenden Belästigungen geschützt wissen will, zu denen die Spritztouren minderjähriger Leihwagennutzer unbedingt gehören, und zweitens die ähnlich stark ausgeprägte Überzeugung, dass das persönliche, aber auch das kommunale Eigentum nicht mit Mitteln des Raubs, der Plünderung oder der Brandschatzung angetastet werden dürfe. Die etwas älteren Bewohner der besonders prekären Banlieues wissen, dass die Zerstörung ihrer Autos und die des Busdepots, der Bibliothek und der Filiale einer großen Supermarktkette zusammenhängen und die zahlreichen Angriffe auf Rathäuser eine weitere Eskalation befürchten lassen. Auch wenn ihnen der Verlust des Autos den größten Kummer bereitet, so ist ihnen doch zugleich bewusst, dass die Einschränkung des öffentlichen Nahverkehrs ihre Bewegungsfreiheit einschränkt, und sei es nur, weil es ihren Weg in die Arbeit verlängert oder wegen der Einstellung des Nachtbetriebs die Ausflüge zu Stätten der Unterhaltung empfindlich verkürzt. Sie kennen den Zusam­menhang von Schulverweigerung und Gewaltausbrüchen und sie wissen, dass sie dann, wenn der verwüstete lokale Intermarché nicht mehr aufgebaut und wiedereröffnet wird, auf das miese und überteuerte Angebot der fast durchgängig arabischen Einzelhandelsklitschen angewiesen sind.

Der Unterschied zwischen privater Aneignung fremden Eigentums etwa durch Plünderung und der gesellschaftlichen Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln ist kein gradueller. Im ersten Fall ist es die reine Gelegenheit zur privaten Bereicherung, die jene ergreifen, die kraft größerer Skrupellosigkeit und Formierung in Klein­gruppen die Schnäppchen machen, während allen anderen lediglich die Krümel bleiben, die die Stärkeren zurücklassen. Enteignung und Raub fallen in eins, die Ziele sind genauso nach der sich bietenden Gelegenheit ausgesucht wie die Mittel (z.B. als Angriffswaffe genutzte Pyrotechnik), um an sie zu gelangen. Zwischen der Tür einer geschlossenen Filiale einer Modekette und der Haustür des lokalen Bürgermeisters oder schlicht jedes Anwohners, der des Reichtums verdächtig ist, hinter der Ohnmächtige nicht nur um ihr Eigentum fürchten, wird kein Unterschied mehr gemacht. Aktivitäten dagegen, die sich der Kritik gegenüber den noch herrschenden Gesetzen der kapitalis­tischen Produktionsweise verschrieben haben, beenden das institutionalisierte Recht des Stärkeren, das mit dem willkürlichen Zugriff auf das Eigentum von Privat­personen gleichwohl nicht auf eine Stufe gestellt werden kann, durch eine geplante Produktion, in der die Früchte der gesellschaftlich organisierten Arbeit den Reichtum und das Eigentum aller mehren. Verwandt hätte dies selbst noch für eine zur Abwechslung vernünftige Umverteilung auf dem Boden des Bestehenden zu gelten: Eine Enteignung hätte auch hier nicht der privaten Bereicherung zu gelten, sondern der Nutzbarmachung vor allem von Immo­bilien und Parkanlagen für die vielen.

„Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“

Der zunächst bürgerliche Konsens über Freiheit und Eigentum, die nicht anzutasten und vom Staat zu schützen seien, war immer mehr als nur die Anmaßung der Privilegierten, für sich zu sichern, was auch sie oder ihre Vorfahren sich skrupellos angeeignet hatten. So abstoßend das in jeder Unternehmenshierarchie entlang riesiger Einkommensunterschiede auszumachende Privilegienwesen auch ist, das sich z.B. in sehr unterschiedlichen Wohnformen niederschlägt, so auffällig ist doch, wie hartnäckig über die bürgerlichen Jahrhunderte hinweg Handwerker, Kleinbauern und eben Arbeiter vor dem spontan genannten Zugriff auf das Eigentum der Oberen zurückschreckten. Zunächst war es die Erfahrung des Bürgerkriegs mit den Angriffen der einander befehdenden Feudalherren auf das Eigentum und die Freiheit des Gegners und als dauernde Begleiterscheinung die Ausplünderung der den Feudalherren Unterworfenen, die gerade Bauern und Handwerker auf den Zentralstaat und die von ihm monopolisierte Gewalt setzen ließen. Doch es ging um mehr. Das Bedürfnis der Kleineigentümer, sich ihr kleines Reich zu schaffen, entsprang auch dem Wunsch, nicht der Willkür anderer ausgesetzt zu sein und dezidiert nicht in einem Reich der oktroyierten Gleichheit vegetieren zu müssen wie russische Bauern unter dem Gesetz der Mir genannten Dorfgemeinschaft oder chinesische in der maoistischen Volkskommune. Der Ruf nach der Polizei war immer auch einer von unten, gegen Übergriffe, die nicht nur von wildgewordenen Junkern in der Übergangszeit ausgehen konnten, sondern eben auch von Straßenräubern oder Dieben. Die Angst vor dem nächtlichen Überfall auf Hab und Gut ging einher mit dem Überdruss, stets darüber wachen zu müssen, dass sich niemand am Vieh oder auch nur der damals wertvollen Wäsche auf der Leine vergreife: Man wollte sich nicht länger in der eigenen Wagenburg verschanzen müssen. Die Monopolisierung der Gewalt im absolutistischen und dann vollends im bürgerlichen Staat war mehr als die Herstellung eines großen Wirtschaftsraums für die sich etablierende kapitalistische Produktion und den Handel. Sie geschah auch mit Billigung jener Mehrheit, die nicht viel zu verkaufen hatte, auf primitivem Niveau wirtschaftete und dennoch nicht der Früchte ihrer Arbeit beraubt werden wollte. Die Nachfolger der Landsknechte in den Feudalkriegen, die das Land kahlfraßen und, wenn die Gelegenheit sich bot, von Bauern totgeschlagen wurden, waren jene, die vom Kapital in der Periode der ursprünglichen Akkumulation aus dem das Überleben noch sichernden Feudalverhältnis geschleudert wurden und sich mangels Nachfrage nach Arbeitskraft erst in einem späteren Schritt ins Lohnverhältnis retteten. Nach den Elendswanderungen der Hoffnungslosen, als die Caritas versagte und die „Ehrlichen“ verhungerten und die „Unehrlichen“ am Galgen endeten, blieben viele zurück, die sich den Zumutungen der aufkommenden neuen Gesellschaft mit den Mitteln des Raubs zu entziehen trachteten. Dies ging zuerst zu Lasten der Bauern, Handwerker und Kleinhändler, die sie terrorisierten. Der im Charlie-Chaplin-Film rührend als harmloser Mundraub geschilderte Diebstahl von Brot oder Früchten auf dem Markt war, obwohl dahinter häufig wirklich der nackte Hunger stand, zugleich die Schädigung jener wenig wohlhabenden Schichten, die sehr wohl wussten, dass dem ersten beim Diebstahl erfolgreichen „Tramp“ rasch weitere folgen würden.

Verhältnisse abschaffen zu wollen, in denen geklaute Brote schweren Kerker nach sich ziehen und nur zwei Jahrhunderte davor die Todesstrafe, ist das eine, das romantisierende Bündnis mit Outlaws zu suchen, die sich nur ausnahmsweise etwa in der Figur des Wilderers nahmen, was nach einer ländlichen Übereinkunft allen zustand und nicht exklusiv dem durch seine Förster vertretenen Feudalherren, ist dagegen nicht geeignet, eine Idee von Freiheit und der umfassenden Entfesselung des Reichtums zu verwirklichen. Deutlich glorifiziert solche Romantik den Kraftburschen, der mit frechem Maul nicht nur seine Opfer verhöhnt, sondern alle, die wenig heroisch und spektakulär im Rahmen der Gesetze, auch denen des Kapitals, ihr meist kleines Eigentum mehren. Lediglich im rhetorischen Überschwang spricht aus der Figur des Spiegelberg in Schillers Räuber (1780) der Revolutionär. Die Wahrheit über die Tiraden der Spiegelbergs aller Zeiten ist ihre durch die wirkliche oder herbeischwadronierte Räuberbande ver­briefte Anmaßung, sich über alle recht­lichen und sittlichen Schranken hin­weg­zusetzen.

Das individuelle Eigentum zu einer Wahrheit machen

Über die Revolution als jenem Mittel, das auch mit Gewalt die Eigentumsverhältnisse radikal in Frage stellt und öffentliche Verhandlungen über die Produktion erst ermöglicht, bestand vor langer Zeit der Konsens, dass man gerade als Revolutionär die öffentliche Ordnung inklusive des individuellen Rechts auf Eigentum vor dem Zugriff eines Gesindels zu schützen habe, das Marx als „Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ beschrieben hat. Als vor 150 Jahren ein wirklicher Bürgerkrieg in Frankreich tobte, versuchten die Pariser Revolutionäre nicht etwa die alte Ordnung aufrechtzuerhalten, sondern machten sich daran, ein ganz anderes Gewaltmonopol durchzusetzen, das auf möglichst dezentralen Bürgerkomitees fußte, die ihrem Auftraggeber jederzeit Rechenschaft schuldeten. „Die Polizei, bisher das Werkzeug der Staatsregierung, wurde sofort aller ihrer politischen Eigenschaften entkleidet. Und in das verantwortliche und jederzeit absetzbare Werkzeug der Kommune ver­wandelt“ (S. 339) vermerkte Marx in Der Bürgerkrieg in Frankreich (1) wenige Monate nach der Niederlage der Pariser Kommune. Zunächst übernahm vorwiegend die Nationalgarde die Funktion der Polizei und entwickelte sich zur bewaffneten Agentur des Pariser Aufstandes und damit zur Bürgerkriegspartei gegen die der Versailler Republik gegenüber loyalen Truppen, hinter denen die preußische Armee stand.

Die Revolution von 1870/71 setzte einen Klassenkompromiss voraus, den die Herrschenden erst angesichts der drohenden Niederlage gegen die deutschen Eindringlinge einzugehen gewillt waren, um das Blatt militärisch noch zu wenden. Je aussichtsloser sich die Lage an der Front darstellte, desto rapider verfiel die öffentliche Ordnung, vor allem im Paris. Regional, keineswegs auf die Hauptstadt beschränkt, herrschte Bürgerkrieg, weil nicht nur irgendwelche Aufständischen gegen den fest im Sattel sitzenden Staat rebellierten, sondern der im Grunde entmachtete und zur partikularen Bande der herrschenden Klasse herabgesunkene Souverän die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Usurpatoren jenseits des Rheins zu den Waffen gerufen hatte, die allerdings der alten Ordnung im Gewand einer gar nicht sehr neuen Republik ebenso feindlich gegenüberstand wie den Deutschen. In den 100 Tagen der Kommune wandte sich die saturierte Bourgeoisie dann unter dem Schutz der Deutschen genauso gegen die Fortsetzung des Krieges wie gegen die in Paris aufkeimende neue Ordnung. Die Fraktion der Sicherheit blamierte sich und ging zum überhaupt nicht brüderlichen Angriff auf die Kommune über. Mit den Worten, „die Kommune, rufen sie aus, will das Eigentum, die Grundlage aller Zivilisation abschaffen!“ (S. 342) gibt Marx den Kern der Propaganda der in Versailles sitzenden, angeblich legitimen Französischen Republik wieder. Seine Antwort fiel allerdings komplexer aus, als es Parteikommunisten oder romantischen Staatsfeinden lieb sein kann: „Jawohl, meine Herren, die Kommune wollte jenes Klasseneigentum abschaffen, das die Arbeit der vielen in den Reichtum der wenigen verwandelt. Sie beabsichtigt die Enteignung der Enteigner. Sie wollte das individuelle Eigentum zu einer Wahrheit machen, indem sie die Produktionsmittel, den Erdboden und das Kapital, jetzt vor allem die Mittel zur Knechtung und Ausbeutung der Arbeit, in bloße Werkzeuge der freien und assoziierten Arbeit verwandelt.“ (ebd.)

Der Bürgerkrieg in Frankreich, aus dem „das heitere Arbeiter-Paris der Kommune“ (S. 357) hervorging, entsprang dem Über­druss an der Diktatur Napoleons III. und dem Hass auf die Deutschen. Was als die Verteidigung des Territoriums gegen Eindringlinge begann, wandelte sich in einen Krieg zwischen denen, die durch ihre Arbeit den Reichtum erzeugten, und jenen, die ihn sich nach den Gesetzen der kapitalistischen Produktionsweise aneigneten. Wie in der ersten Phase der Februarrevolution von 1848 trat auch während der Kommune nicht ein, was die um ihr Eigentum bangende Bourgeoisie den Aufständischen propagandistisch unterstellte. Es kam nur vereinzelt zu Plünderungen, und das nicht nur deswegen, weil für den Schutz des privaten Eigentums und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit die mit der Revolution verbundene Nationalgarde einstand. Als ob die Kommunarden und ihre Vorgänger Paris kurzfristig als ihr Eigentum wahrnahmen, unterblieb die individuelle Willkür gegen die plötzlich ungeschützten Privilegierten weitgehend, und auch Brandstiftungen gab es damals nicht. Der Traum von einer Sache war größer als schäbige Schnäppchenjägerei oder von Rachemotiven geleiteter Vandalismus, die ihn zerstört hätten. Marx war bei allem Überschwang nur scheinbar widersprüchlich ein Freund der öffentlichen Sicherheit: „Wunderbar in der Tat war die Verwandlung, die die Kommune an Paris vollzogen hatte. […] Keine Leiche mehr in der Morgue, keine nächtlichen Einbrüche und fast keine Diebstähle mehr; seit den Februartagen von 1848 waren die Straßen von Paris wirklich einmal wieder sicher, und das ohne irgendwelche Polizei.“ (S. 348)

Regionalismus und autochthone Schreckensherrschaft

Wie im Jahr 2005, als die bis dahin größte, aber keineswegs erste Gewaltwelle in den Banlieues wütete und auch auf die Viertel der relativ Arrivierten übergriff, ist auch im Jahr 2023 trotz der erhebli­chen Zunahme und Intensität der Aggres­sion in den Tätern und ihrem außer Kon­trolle geratenen Hinterland kein Bürgerkriegs­potential zu erkennen. Heute wie damals fehlt es an Menge, Ausrüstung und Orga­nisation bei den Vorstadtmännern, während zugleich die Staatsmacht nicht wankt. Obwohl jeder erkennt, dass all jenen nur tödlicher Hass aus den Vorstädten entgegenschlägt, die deren verkommene Moralvorstellungen ablehnen, wenden die lumpenakademischen Propagandisten der „Revolte“ noch den Umstand, dass der Staat die brutalen Methoden der Marodeure nicht anwendet, weshalb der 2005 von Präsident Sarkozy herbeigewünschte Hochdruckreiniger bis heute gerade nicht zum Einsatz gekommen ist, gegen ihn. Ihren islamischen Verbündeten ähnlich, missdeuten sie den abwägenden und manchmal zögerlichen Einsatz der Gewaltmittel als Zeichen der Schwäche, so als ob sie sich nach der strafenden Hand sehnten.

Zu Hause agieren die Enragierten an den vom eigenen Viertel Entrechteten, zu denen die sich nicht der islamischen Moral unterwerfenden Frauen gehören, ihre „Freiheit“ aus und nehmen zugleich als die jüngeren Brüder der kriminellen Patrone gläubig hin, was diese ihnen vorschreiben. Die dauernde Kontrolle durch die Allianz von krimineller Ökonomie und totalitärer Ideologie mit ihrer Sondergerichtsbarkeit, die noch einen Mord bei Entschädigungszahlung ungesühnt lässt, die jederzeit abrufbare Lynchjustiz, zu der immer wieder auch Gruppenvergewaltigungen an jungen Frauen und brutale Übergriffe auf Schwule gehören, sind der Kitt einer dehumanisierten Gemeinschaft, deren jeweils spontan sich zusammenfindende Avantgarde zu allem fähig ist. Obwohl fast jedermann mit Erleichterung das Ende des Spuks zur Kenntnis nahm, wird nur unter Vorbehalten der Wiederherstellung der Ordnung durch die Polizei zugestimmt. So viel Fraternité darf es nicht geben, obwohl gerade sie die Voraussetzung dafür wäre, auch unterhalb der Anwendung unmittelbaren Zwangs die Verhältnisse in den Vorstädten so zu ändern, dass nicht einer angeblich rassifizierten oder gar zur Arbeiterklasse schöngeredeten Jugend Geschenke gemacht werden, die wie Schutzgeldzahlungen wirken. Das ist das, was die Ideologen in der Taz oder in der Libération meinen, wenn sie ausrufen: „Der Preis für die Morde, die von Po­li­zis­t*in­nen begangen und von der Politik überhaupt ermöglicht werden, muss nach oben getrieben werden“ (Taz, 3.7.2023), und damit die Logik der Marodeure be­dienen.

Im akademischen Diskurs wird als Urheber der jüngsten Unruhen regelmäßig der Staat in der besonders gefährlichen Variante des Zentralstaats präsentiert – gerade so, als wäre die Delegierung der Gewalt an eine nunmehr regionale Polizei und Administration das probate Mittel, die Marodeure aus den Vorstädten am Ende gar gewaltfrei zu bändigen. Ein Gegner der zentralisierten und hierarchisierten Macht war auch Marx, aber nicht, um unwiderruflich untergegangenen vorbürgerlichen Verhältnissen zu huldigen, sondern um die bürgerliche in eine herrschaftsfreie Ordnung zu überführen. „Sobald die kommunale Ordnung der Dinge einmal in Paris und den Mittel­punkten zweiten Ranges eingeführt war, hätte die alte zen­tralisierte Regierung auch in den Provinzen der Selbstregierung der Produzenten weichen müssen.“ An die Abschaffung eines die vereinigten Produzenten verbindenden Konsenses dachte er dabei nicht, sondern setzte auf die Einheit der Nation ohne Zwang: „Die Einheit der Nation sollte nicht gebrochen, sondern im Gegenteil organisiert werden durch die Kommunalverfassung; sie sollte eine Wirklichkeit werden durch die Vernichtung jener Staatsmacht, welche sich für die Verkörperung dieser Einheit ausgab, aber unabhängig und überlegen sein wollte gegenüber der Nation, an deren Körper sie doch nur ein Schmarotzerauswuchs war. […] Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen.“ (S. 339) Gegen die Regionalisten seiner Zeit mit ihrem Genossenschaftswesen, die irgendwie am Kapitalverhältnis vorbei wirtschaften wollten, um sich selbst zu verwalten, wandte er ein: „Es ist das gewöhnliche Schicksal neuer geschichtlicher Schöpfungen, für das Seitenstück älterer und selbst verlebter Formen des gesellschaftlichen Lebens versehen zu werden, denen sie einigermaßen ähnlich sehen. So ist diese neue Kommune, die die moderne Staatsmacht bricht, angesehen worden für eine Wiederbelebung der mittelalterlichen Kommunen, welche jener Staatsmacht erst vorausgingen und dann ihre Grundlage bildeten.“ (S. 340)

Zentralstaat und Nation

Der befreiungsbewegte linke Regio­nalismus verlor in den letzten Jahrzehnten zunehmend seinen Reiz, ohne dass die Idee je aufgegeben worden wäre. Zu offensichtlich bricht die wohlstands­chau­vinistische Zielsetzung hervor, wenn ganze Provinzen dem sich im Niedergang befindenden Zentralstaat den Rücken kehren, um in der innereuropäischen Konkurrenz besser zu bestehen und sich Transferzahlungen an weniger entwickelte Landesteile zu entziehen. Beerbt wird diese Ablehnung des Zentralstaats längst von einer keine Grenze kennenden islamischen Bandenideologie in ebenso heruntergekommenen wie randständigen Vierteln, deren brüchige Ordnung und Elendsökonomie nur durch das Versprechen auf Landnahme und Raub aufrechterhalten wird, zu dem die Erpressung des von der Republik zu leistenden Schutzgelds gehört. Regionalismus ohne einen die jeweilige Binnenmoral eines Landstrichs transzendierenden Konsenses, den man früher Brüderlichkeit nannte, endet nicht unbedingt in den Zuständen, die in den einschlägigen Wohnvierteln von Nanterre längst Realität sind. Die bedrückenden Verhältnisse im postmodern aufgeputzten Baskenland, wo völkische Zusammengehörigkeit und brüsker Hass auf ärmere Spanier in anderen Regionen sich praktisch immer gegen den Zentralstaat richten, geben einen Hinweis auf eine neue Welt, in der Fraternité eine Sache des Bluts ist.

Gegen die Marodeure der Tat und des Worts bietet einzig der von den gleichen Ideologen so leidenschaftlich bekämpfte Zentralstaat Schutz, da die von Marx geforderte Abschaffung der Polizei und die Selbstverwaltung auch in Ordnungsfragen in pervertierter Form gerade dort Realität wird, wo der Terror regelmäßig seinen Ausgang nimmt. Statt eines heiteren Paris der Arbeiter würde der Sieg dieser Regionalisten die Hauptstadt in eine Trümmerwüste verwandeln, wovon sie Anfang Juli vor allem in der Provinz Kostproben in Menge gereicht haben. Der Zentralstaat gewährt in unfreien Zeiten nicht nur die Freiheit, sich unbehelligt bewegen zu können. Er ist es auch, der alle auf die gleiche monopolisierte und in der Republik auch weitgehend kontrollierbare Gewalt einschwört, statt die Bürger zur Barbarei tendierenden Partikulargewalten auszusetzen. Die aktuell gepflegte Ablehnung des Zentralstaats bezweckt die Delegitimierung der auf dem Gebiet der ganzen Republik geltenden öffentlichen Ordnung zugunsten des in den Banlieues sich etablierenden Gegenstaats als legitimer Gewalt. Dessen Subjekte sollen ihre Angelegenheiten nach ihrer kollektiven Identität ordnen, was ihrer Auslieferung an das Faustrecht der Stärkeren gleichkommt – ob sie die Faust nun küssen oder verabscheuen. Für immer sollen sie Herrschaftsformen ausgeliefert werden, die nicht allgemein und abstrakt und daher kalt wirken wie die der Republik, sondern persönlich und daher so warm wie Blut, das für die Rassifizierung der Banlieues genauso steht wie für das ganz konkrete Blut der Bestraften. Für die Republik sind Mohamed oder François nicht das Kriterium, sondern Citoyen Mohamad und Citoyen François, die ihren jeweiligen privaten und politischen Zielen nachgehen sollen, solange sie mit den Gesetzen der Republik und nicht denen von Clanchefs und Moscheevorstehern konform gehen. Dieses Versprechen klingt abgedroschen, auf ihrer Grundlage kann Freiheit, die mehr bedeuten soll als der Schutz vor drohender Gewalt und des ungleich verteilten Einkommens, unmöglich verwirklicht werden – von den in Trostlosigkeit und Einsamkeit verkümmernden Monaden ganz zu schweigen. Die Republik hat nach den jüngsten Unruhen vor allem Bürgermeister geehrt, deren Gemeinden und insbesondere Rathäuser schwer betroffen waren. Mit der Trikolore geschmückt, wurden die Amtsträger vom Präsidenten und seinen Ministern als Patrioten geehrt, wobei das Wort Fraternité dauernd bemüht wurde. Diese bestimmt sinnvolle Geste der Solidarität hat zugleich die Hohlheit des zum Glaubensbekenntnis abgewirtschafteten Begriffs kenntlich gemacht. Und doch ist die Verwirklichung einer besseren Ordnung der Dinge ohne den Traum von einer Sache, dass die Welt besser einzurichten sei, als die Grande Nation es zu leisten vermag, nur auf Grundlage der Republik möglich. Das vermögen nur Citoyen Mohamad und Citoyen François nur gemeinsam, indem sie sich gegen die in den Banlieues wütende identitäre Gewalt wenden. Anders ist die notwendige Kritik an den nie eingelösten Versprechungen der Republik, die immerhin die individuelle Sicherheit und den ungestörten Genuss des je persönlichen Eigentums verspricht, ohne eine vernünftig eingerichtete Welt zu verwirklichen, nicht zu haben.

Nichts habt Ihr zu wählen!

Der Erfolg der Marodeure aus den Banlieues beruht auf dem Missvergnügen von Leuten, die als Bourgeois nicht den Schnitt machen, den sie sich erhoffen, als Pseudo-Citoyens der Republik den Tod wünschen und ihr deshalb die Moslembanden aus den Vorstädten auf den Hals schreiben. Sie wollen Rache nehmen an ihren zumeist linken Eltern, die ihnen womöglich nichts hinterlassen werden, und an einem Staat, der sie nicht mehr als Beamte versorgt, und wenn doch, dann nicht zu den Bedingungen, die er der Vorgängergeneration noch gewährte. Die Töchter und Söhne aus zumeist gutem Haus sind sich sicher, dass sie keine andere Wahl haben, als anderen beim Zündeln zu helfen, auch wenn für sie damit kein Schutzgeld vom Staat zu holen ist.

Eine Tirade Spiegelbergs in Schillers Räuber mag das verdeutlichen: „Wahl? Was? Nichts habt ihr zu wählen! Wollt ihr im Schuldthurm stecken, und zusammenschnurren, bis man zum jüngsten Tag posaunt? Wollt ihr euch mit der Schaufel und Haue um einen Bissen trocken Brod abquälen? Wollt ihr an der Leute Fenster mit einem Bänkelsänger Lied ein mageres Allmosen erpressen? oder wollt ihr zum Kalbsfell schwören – und da ist erst noch die Frage, ob man euren Gesichtern traut – und dort unter der milzsüchtigen Laune eines gebieterischen Korporals das Fegfeuer zum voraus abverdienen? oder bey klingendem Spiel nach dem Takt der Trommel spazieren gehn, oder im Gallioten Paradis das ganze Eisen-Magazin Vulkans hinterschleifen? Seht, das habt ihr zu wählen, da ist es beysamen, was ihr wählen könnt!“ Die Klage über die wenig erfreulichen Zukunftsaussichten der deutschen Intelligenz des Jahres 1780 war auch damals schon larmoyant und großmannssüchtig zugleich und damit letzter Schrei unter nicht nur materiell prekären bürgerlichen Akademikern in halbfeudalen Zeiten, die, weit davon entfernt, eine bürgerliche Revolution vorzubereiten, sich in Studentenkneipen betranken und in den nächtlichen Straßen ganz antibürgerlich gestimmt Radau machten.

Mehr als zwei Jahrhunderte später gilt es nach dem Motto „Hurra Hurra die Schule brennt“, Täter als Opfer des Systems hochleben zu lassen, die alles dafür tun, dass ihnen keine andere Wahl bleibt, als gelegentlich für einen kriminellen Patron zu arbeiten, der Jugendliche ohne Führerschein für ein Butterbrot als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Statt die zumeist jugendlichen Täter als die Gemeingefahrzu brandmarken, die sie sind, ihre Eltern als zwar entmachtete, aber zugleich mitverantwortliche Gestalten anzuklagen, die sich längst den Gesetzen der Parallelgesellschaft unterworfen haben, statt mit den Agenturen des Staates zusammenzuarbeiten, zu denen eben nicht in erster Linie die Polizei gehört, sondern die Lehrer, Bibliothekare und Jugendamtsmitarbeiter, solidarisiert sich die Lumpenintelligenz mit Terroristen, die ihrer nächsten Gelegenheit entgegenfiebern. Über sie glaubt man zu wissen, dass sie einer nationalen Tradition verpflichtet seien, wenn sie die Haustür eines Bürgermeisters mit einem brennenden Auto einrammen und die mit ihren Kinder fliehende Frau des Bürgermeisters aus nächster Nähe mit Kanonenschlägen attackieren.

Reale und symbolische Gewalt

Zur deutschen Romantik gehört der verklärte Blick auf das angeblich stets widerständige und zur Revolution bereite Frankreich, weshalb Barrikadenbau und Straßenschlachten unabhängig von deren Zielsetzung glorifiziert werden. In Paris oder Berlin ist man sich einig: „Egal ob Gelbwesten oder monatelange Streiks: Immer gehen in Frankreich Fensterscheiben zu Bruch, werden Barrikaden errichtet und Autos angezündet. Immer antwortet die Polizei mit noch mehr Gewalt. Doch nur im Fall der Jugendlichen in den Vorstädten wird mit einem derart großen Entsetzen reagiert. Es stellt sich die Frage, ob einige Be­ob­ach­te­r*in­nen hier mit zweierlei Maß messen.“ (Taz, 3.7.2023) Entsetzlich genug, dass Randerscheinungen bei den Protesten der Gelbwesten oder jüngst gegen die Rentenreform mit den in der Konsequenz mörderischen Aktivitäten des moslemischen Vorstadtmobs in der Tatausführung quantitativ und sogar qualitativ auf eine Stufe gestellt werden. Man liest dergleichen Gräuelpropaganda, die eben nicht nur in den Flugblättern und Broschüren der letzten Heuler aus der radikalen Linken steht, sondern diskursiv aufgeputzt im Universitätsskript oder dem Leitartikel von auflagenstarken Tageszeitungen, ohne auch nur darüber zu erschrecken, was das eigene Milieu ausbrütet. Die Gleichstellung völlig unterschiedlicher Protestformen ist nicht nur eine groteske Lüge, denn Streiks und soziale Proteste in Frankreich führen nicht dazu, dass eine Frau mit ihren Kindern vor den Brandstiftern um ihr Leben rennt, die einen Lynchmord vorlaüfig nur simulieren. Dass die Begleiterscheinungen sozialer Proteste mit dem ungleich brutaleren, einzigen Zweck moslemischer Landnahme auf eine Stufe gestellt und gleichberechtigt zum Wesensmerkmal republikanischer Tradition verklärt werden, ist Indiz für eine gar nicht nur französische Abstumpfung und Verrohung, die auf ein unausgesprochenes Bündnis hindeutet.

Zu den Methoden der Gelbwesten im Jahr 2018 gehörten vorwiegend Straßen­barrikaden, die in vielen Fällen auch ange­zündet wurden, allerdings außerhalb bewohnter Gebiete. Der an die Banlieue-Ausschreitungen erinnernde Vandalismus am Rande der Proteste ging damals vorwiegend von einem Schwarzen Block aus, der auf keine breite Sympathie bei denen mit den gelben Westen rechnen konnte. Die vom gleichen Spektrum veranstalteten Plünderungen von Geschäften in mehreren Innenstädten während der Rentenproteste im Frühjahr 2023 erinnern ebenfalls fatal an die Attacken der Vorstadtbanden. Allerdings fanden diese Gewaltakte vereinzelt statt und prägten nicht das Bild der jeweiligen Kundgebungen. Wie schon 2018 scheinen die organisiert agierenden Gruppen einem zwar besonders verrohten, aber marginalen Teil der radikalen Linken anzugehören, der in deutscher Widerstandstradition auf das Herbeibomben des faschistischen Staates setzt. Ausschlaggebend ist, dass die Anleihen, die Linksradikale bei den Methoden der Vorstadtmobs nehmen, nicht nur die aus ökonomischen Gründen entstandenen Proteste diskreditieren, sondern auch den Unterschied zwischen grundverschiedenen Intentionen bei der Anwendung von Gewalt verschwimmen lassen.

In scheinbar längst vergangenen Zeiten war das Zündeln in Deutschland die Domäne von Bürgerkindern und in Frankreich auch regelmäßig die häufig wenig sinnvolle Begleiterscheinung vernünftiger Proteste, begangen von Leuten, die der Bourgeosie nicht angehörten. Man gewährte den Aktivisten mehr oder weniger großzügig ihr Spiel mit dem Feuer, da man wusste, dass, egal wie viele entglaste Schaufensterscheiben, beschädigte Bankfilialen und gelegentlich geplünderte Geschäfte auch zu verzeichnen waren, alle Beteiligten einem Konsens folgten: Es ging um ein Spiel in relativ geregelten Bahnen – diese Gewalt war symbolisch.

Seit die Banlieues in Frankreich ernst machen und den Krieg gegen die Bürger immer brutaler führen, verschwindet die Ebene des Symbolischen auch dort, wo die Vorstadtjungs gar nicht dabei sind. Die interessieren sich zum Beispiel nicht für Lohnabhängige, die sich ein möglichst langes und auskömmliches Leben nach der Arbeit nicht nehmen lassen wollen, weshalb bei den Rentenprotesten Mohamed dem François freie Bahn ließ. Wahrscheinlich ist der französische schwarze Block 2023 gar nicht anders vorgegangen als in den Jahren davor, wahrscheinlich wird weiterhin darauf geachtet, dass Unbeteiligte nicht geschädigt werden und doch ist seit dem Terror von 2005 und weit mehr noch dem von 2023 alles anders. Die Ebene der symbolischen Gewalt von „weißen“ Linksradikalen, die immer dann nicht viel zählte, wenn es galt, Polizeibeamte außer Gefecht zu setzen, verschwindet, wenn zwischen Original und angeblicher Fälschung nicht mehr unterschieden werden kann.

Was der Staat in Frankreich nie ver­mochte, könnte einer radikalen Linken gelingen, deren Rächerideologie, mehr noch als die Methoden, auf eine Kumpanei mit den islamischen Banden hinausläuft. Ihre „Praxis“ ist geeignet, öffentliche Manifestationen für die Verbesserung der Lebensumstände in Zeiten einer sich verschärfenden ökonomischen Krise zu verhindern, die von Leuten getragen werden, die noch etwas vom Leben erwarten. Diese Leute haben mit Schrecken von den Massakern in Nizza und im Pariser Bataclan hören müssen, ihnen ist auch nicht entgangen, mit welcher Begeisterung die aus den Banlieues den Massenmorden vor allem in den sozialen Netzwerken zugestimmt haben. Wer heute plündert und Bürgermeisterämter angreift, tut nicht nur etwas sehr Dummes, er lässt auch sein unbewusstes Einverständnis mit den disruptiven ökonomischen Verhältnissen durchscheinen, die er von ihrer noch zivilisierenden politischen Hülle befreien will. Die gleichen Lumpenintellektuellen und ihre praktizierenden Verbündeten aus dem arrivierten intellektuellen Mittelstand können keinen Widerspruch mehr er­ken­nen, wenn die von ihren Genossen aus­­geübte „revolutionäre Gewalt“ sich vom Massenterror aus den Vorstädten nicht mehr unterscheidet. Ihre Überzeugung, dass es nichts zu wählen gebe und die bürgerliche Freiheit abgeschafft sei, herrschen sie allen Kritikern brutal auf, die sie zum Beispiel am Demonstrieren hindern. Ihre Devise „Holt Euch Euer Leben zurück!“ meint die Zerstörung aller materiellen und intellektuellen Grundlagen für ein besseres Leben und zwingt sie ins Bündnis mit den identitären Repräsentanten einer keine Skrupel mehr kennenden Banden-Ökonomie, die allein dem Recht der Stärkeren folgt und die sie genauso bewundern wie fürchten.

In einem Land, dessen Intelligenz einer antisemitischen, aber zackig klassenkämpferischen Nobelpreisträgerin huldigt und wie jene einem revolutionär gestimmten antisemitischen Volksführer ihre Stimme gibt, ohne dass sich Widerspruch regen würde, wird auch der zwischen dem 28.6. und 3.7.2023 aus den Vorstädten immer wieder zu hörende und auf Hauswände geschmierte Ruf nach einer Wiederholung der Shoah an wahrscheinlich nicht nur den Juden als Lappalie abgetan. In einem solchen Land ist auch ein Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen.

Justus Wertmüller / https://redaktion-bahamas.org/hefte/92/Ein-B%C3%BCrgerkrieg-findet-vorl%C3%A4ufig-nicht-statt.html