Mit Geheimdiensttricks Politik gemacht?

Über die erste Dimension des Falles Strache ist alles gesagt: Der FPÖ-Chef und Vize-Kanzler Österreichs hat sich mit seinem Auftreten bei der Video-Falle völlig diskreditiert. So viel wurde darüber geschrieben und so breit wird sein Verhalten verurteilt, dass darauf verzichtet sei, das alles hier zum x-ten Mal aufzuzählen. Es ist alles leicht zu finden.

Umso erstaunlicher ist, dass die zweite Dimension des Falles fast untergeht: Einem Politiker eine Falle zu stellen und ihn dabei mit der Kamera aufzunehmen und das Ergebnis später zu nutzen, um ihn zu diskreditieren – das ist eine Methode, die zumindest ich bisher vor allem aus Russland kannte, vom KGB-Nachfolger FSB. Der greift bevorzugt Oppositionelle mit solchen Diffamierungs-Tricks an – die überwiegend auch als „Faschisten“, also übersetzt: als „rechts“ oder „Nazis“ verleumdet werden. Stichwort: „Aktive Maßnahmen“.Sehr bekannt ist etwa der Fall des – ausnahmsweise linken – Kremlkritikers Sergej Udalzow, der in eine Video-Falle tappte, die der im Fall Strache von der Methode her glich wie eine Wodkaflasche der anderen: Er fand bei einem offenbar sorgsam vorbereiteten Treffen mit einem georgischen Geschäftsmann Gefallen an der Idee, Geld für einen Umsturz und Massenproteste in Russland anzunehmen. Das Video wurde weit verbreitet, Udalzow kam später in Haft.

Bürgerrechtler in Russland klagen seit langem, dass solche Methoden aus der Giftkiste des KGB allgegenwärtig seien; sie sprechen gar davon, dass Geheimdienst-Spezialaktionen die Politik ersetzt hätten in Putins Russland.

Ich persönlich fand diese Methoden immer sehr abstoßend. Auch wenn manche, gegen die sie sich richteten, wie der Kremlkritiker Udalzow, alles andere als Musterdemokraten und Sympathieträger sind. Viele, viele Jahren erklärte ich meinen russischen Bekannten und Freunden, dass solche Methoden bei uns in Mitteleuropa nicht vorstellbar seien.

Umso bitterer stieß mir jetzt der Fall Strache auf. Und auch seine Behandlung in den Medien. Ausgerechnet eine gute Woche vor der EU-Wahl.

Die Causa trägt eine Handschrift, die erschreckend der ähnelt, die die meisten Demokraten in Russland mit gutem Grund verurteilen.Vermutlich werden sich viele darauf berufen, es treffe den Richtigen (was die Frage aufwirft – wer ist hier der Richter?). Und der Zweck heilige die Mittel.

Aber tut er das? Heute Strache, wer morgen? Was, wenn die FPÖ die gleichen Methoden gegen ihre Gegner anwendet?

Was, wenn plötzlich ein Video über Gerhard Schröder auftauchen würde und seine Verhandlungen mit den Kreml-Apparatschiks in Sachen Gazprom?

Sieben Jahre nach meiner Rückkehr aus Moskau nach Berlin muss ich zu meinem eigenen Entsetzen gestehen: Ich kann mir einige Politiker vorstellen, bei denen ich im Falle einer Video-Falle wie bei Strache nicht die Hand ins Feuer legen würde. Über die Parteigrenzen hinweg.

tichyseinblick.de