Auch in der DDR gab es Wahlen. Da trat ein breites Bündnis aller vorhandenen Parteien und Verbände, genannt die nationale Front, gemeinsam an. Theoretisch konnte man auf dem Wahlzettel auch eine Partei ankreuzen, aber dazu musste man aus der Schlange der Wähler, die nur den Zettel falteten und in die Urne am Ende des Tisches steckten, an dem sie registriert wurden, ausscheren. Wer den langen, einsamen Weg zur Wahlkabine in der hintersten Ecke des Raumes antrat, musste mit Sanktionen auf der Arbeitsstelle rechnen. Trotzdem wurde auch noch bei der Auszählung geschummelt, denn 99, 98% sollten es schon sein, die den Einheitskandidaten ihre Stimme gaben.
So weit sind wir heute noch nicht, aber auf dem Weg dorthin.
In Brandenburg hat sich eine bunte Einheitsfront formiert, die auf Plakaten die Wähler auffordert, wählen zu gehen und den Einheitsparteien des bunten Bündnisses ihre Stimme zu geben. Innerhalb einer Woche nach dieser grandiosen Idee wurde das erste Plakat gemeinsam von den Vertretern der bunten Front aufgehängt. Bis zur Wahl soll das ganze Nuthetal mit dieser Botschaft beglückt werden: „Unsere gemeinsame Bitte zur Landtagswahl! Geht wählen, wählt den Zusammenhalt – Populismus spaltet die Gesellschaft“. Als die ersten Meldungen über dieses Plakat auftauchten, wollte man sie für Satire halten. Leider ist es ernst gemeint.
Für die CDU ist eine Vereinigung mit der SED-Linken nichts Neues. Schließlich hat sie schon mit der SED gemeinsame Sache gemacht. Eigentlich hatte sie Besserung geschworen und wollte sich nie wieder vereinnahmen lassen. Jetzt dient sie sich der SED-Linken sogar an.
Spitzenkandidat und Landesparteichef Ingo Senftleben hat kurz vor der Wahl in einem Interview mitFocus Online noch einmal bekräftigt, dass er eine Koalition mit der Linkspartei nach der Landtagswahl am 1. September nicht ausschließt.
„Ich strebe keine Koalition mit der Linken an. Ich sehe es aber realistisch: In einer Demokratie muss man ein Stück weit gesprächsbereit bleiben“.
Die Linke sei „in Teilen genauso radikal, wie es die AfD ist“, sagte Senftleben.
Ist der Mann so dumm, oder tut er nur so? Die Linke hat in ihrem Programm nach wie vor den „Systemwechsel“ verankert. Sie will damit weg von der Demokratie. Die AfD dagegen will zurück zur Rechtsstaatlichkeit. Teile ihres Parteiprogramms scheinen in Copy and Paste dem Wahlprogrammen der CDU von 2002 und 2005 übernommen worden zu sein, einschließlich der Rechtschreib- und Interpunktionsfehler. Das ist für die CDU heute untragbar, der von der SED-Linken angestrebte Systemwechsel aber akzeptabel?
Zu akzeptieren sei, so Senftleben, dass die Linke in mehreren Bundesländern Verantwortung übernommen habe; in Brandenburg etwa schon seit zehn Jahren.
Aha, die SED war sogar 40 Jahre in der Verantwortung und hat ein ruiniertes Land hinterlassen. Wie man gerade am Agieren der Linken in Berlin beobachten kann, ist sie dabei, mit der Einführung eines Mietendeckels den Wohnungsmarkt wieder unter eine Planwirtschaft zu zwängen und den Gebäudebestand, der aus den DDR-Ruinen gerettet und saniert wurde, wieder dem Verfall preiszugeben. Ist es das, was Senftleben „in den nächsten fünf Jahren für Brandenburg erreichen“ will? Die Linke hätte angeblich „auch nicht alles verkehrt gemacht. Es zählt für mich, was wir wollen.“
Was Senftleben will, ist nach diesen Worten klar: Er will an die Macht, notfalls mit Hilfe der SED-Linken. Dass er damit den Markenkern der CDU, eine Partei der sozialen Marktwirtschaft zu sein, aufgibt, scheint für ihn kein Problem darzustellen. Ein Problem scheint dagegen eine Konfrontation mit den früheren Positionen seiner Partei zu sein, die ein Bündnis mit der AfD bedeuten würde: „Es gibt keine Koalition mit der AfD. Punkt.“
In einem Wahlkampfspot zeigt Senftleben, wie sehr er schon von seinem künftigen Koalitionspartner gelernt hat. Mit der Aufforderung „Trau Dich!“ hat er einen Wahlkampfslogan der SED-PDS, wie die Linke damals hieß, aus den frühen 1990er Jahren übernommen. Er hat nur nicht den Zusatz von damals: „Es sieht ja keiner“ übernommen.
Hinsehen sollten die Brandenburger schon, wenn sie am Sonntag ihr Kreuz machen. Wollen sie wirklich die Einheitsfront-Parteien wählen, die für die Misere, die sie jetzt bekämpfen zu wollen vorgeben, verantwortlich sind, oder entscheiden sie sich für diejenigen, die sich der Einheitsfront nicht angeschlossen haben?
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