
Zwischen 2018 und 2024 wurden in Hessen exakt 366 geplante Abschiebungen durch Kirchenasyl verhindert. Allein im Jahr 2023 waren es 105, im Vorjahr 82 – und 2025 steht bereits bei 30 Fällen. Die tatsächliche Zahl liegt wohl deutlich höher, da ein Fall oft mehrere Personen betrifft. In über 600 Fällen gewährten Kirchen seither Zuflucht – offenbar mit Erfolg: Nach Angaben der evangelischen Landeskirchen befinden sich sämtliche Betroffene noch immer in Deutschland.
Der eigentliche Skandal liegt jedoch in der stillschweigenden Duldung dieser Praxis durch den Staat. Obwohl Kirchenasyl rechtlich keinerlei Bindung hat, verzichten die hessischen Behörden freiwillig auf Abschiebungen – sobald eine Gemeinde signalisiert, einen Kirchenasylfall aufgenommen zu haben. Die Begründung: „Respekt vor der christlich-humanitären Tradition“.
In der Praxis bedeutet das: Der Staat lässt sich von einer moralischen Eigeninterpretation der Kirche davon abhalten, geltendes Recht umzusetzen. Und das nicht etwa punktuell, sondern systematisch. Während Ausreisepflichtige in anderen Fällen notfalls unter Polizeibegleitung zum Flughafen gebracht werden, genügt hier das Glockengeläut eines Pfarrhauses zur Flucht in die Unantastbarkeit.
Besonders perfide ist die Ausnutzung europäischer Fristen. Laut Dublin-III-Verordnung hat ein Staat sechs Monate Zeit, Asylwerber in das Ersteinreiseland rückzuführen. Sobald diese Frist durch Hinauszögern verstreicht, wird Deutschland zuständig – die Rückführung ins Herkunftsland scheitert dann regelmäßig am fehlenden politischen Willen. Aus der Abschiebung wird ein Bleiberecht durch Zeitspiel.
Dass kirchliche Organisationen diese Taktik nicht nur praktizieren, sondern auch noch feiern, unterstreicht den Verlust jeglichen Rechtsverständnisses. Dass staatliche Behörden sie dabei gewähren lassen, ist ein Offenbarungseid.
Kirchenasyl ist längst keine humanitäre Ausnahme mehr, sondern Teil eines politisch gewollten Systems zur systematischen Aushöhlung der Asylordnung.
Kirchenasyl als staatlich geduldete Abschiebeverhinderung – Zur Zeit