Gratismutige Hetze gegen einen wirklichen Nazigegner

In den deutschen sozialen Netzwerken, die von aktivistischen Gruppen immer mehr als öffentlicher Pranger benutzt werden, ist die Empörung wieder einmal groß. Zielscheibe seit nun Wochen ist Ritter Sport, Süßwarenhersteller aus Baden-Württemberg, der trotz des Angriffs auf die Ukraine weiterhin Schokolade nach Russland liefert. Dabei hat das Unternehmen den Angriffskrieg Putins in aller Deutlichkeit verurteilt. Man habe sich die Entscheidung, weiter nach Russland zu liefern, nicht leicht gemacht.

Bei einem Lieferstopp müsste die Produktion drastisch heruntergefahren werden. Und das habe ernsthafte Auswirkungen auf das Unternehmen, seine Mitarbeiter und letztlich auch die Kakaobauern, von denen Ritter Sport seine Rohware bezieht. Außerdem werde man den Gewinn aus dem Russlandgeschäft spenden.

Verantwortung sei wichtiger als Profit. Das alles half nicht, die Kampagnenmacher zum Nachdenken zu bewegen.

Völlig unbeachtet blieb bei den Moralkeule-Schwingern, dass es sich bei Ritter Sport um eines der wenigen deutschen Unternehmen handelt, die sich im Dritten Reich nicht mit den Nazis gemein gemacht haben.

Im Dritten Reich gab es Probleme mit der Beschaffung vieler Rohstoffe, auch von Kakao. Die Regierung legte eine Einfuhrbeschränkung von 75.000 Tonnen fest, das entsprach nur 75% der Einfuhr des Vorjahres. Da Firmengründer Alfred Eugen Ritter nicht bereit war, in die NSDAP einzutreten, erhielt die Firma keine Zuteilung für Kakao mehr und war gezwungen, auf nicht kakaohaltige Süßigkeiten auszuweichen, wie Geleeartikel, Fondant und Erfrischungsstangen.

Nach dem Krieg wurde Alfred Eugen Ritter von den Alliierten wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum kommissarischen Bürgermeister von Waldenbuch ernannt. Zwar musste Ritter aus gesundheitlichen Gründen das Amt bald wieder aufgeben, ihm wurde aber 1951 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Waldenbuch für seine Verdienste um die Kommune verliehen.

Anders als die Kritiker des Familienunternehmens hatte Ritter für seine Haltung ein hohes Risiko in Kauf genommen. Seine Nachkommen werden nun für einen transparenten Umgang mit ihrer Firmenpolitik gebrandmarkt.

Ganz anders das Unternehmen Metro, das nach Kriegsbeginn öffentlichkeitswirksam russischen Wodka und andere Produkte aus den deutschen Regalen räumen ließ.

Der Einzelhändler Udo Kellmann wies frühzeitig darauf hin, dass die Metro weiter in Russland sehr aktiv ist. Sie betreibt dort 93 Großmärkte und generiert dort einen nicht unerheblichen Teil ihres Ertrags. Es ist mir keine Verlautbarung der Metro bekannt, dass der Gewinn aus dem Russland-Geschäft gespendet wird.

Ihre gratismutige „Solidaritäts-Imitation“ schützt die Metro vor Nachfragen des vom überbordenden Moralismus getriebenen Zeitgeistes.

Wer in Russland weiterhin gute Geschäfte macht, der sollte hier in Deutschland nicht so verlogen und scheinheilig agieren wie die Metro.

„Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.“

Helmut Qualtinger

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