Es ist kurz nach vier Uhr morgens, als das Messer zuschlägt. Menschen stehen draußen vor der Bar „Cutie“, ein beliebter Treffpunkt in der Bielefelder Innenstadt. Es ist warm, laut, ausgelassen. Sekunden später liegt Blut auf dem Asphalt. Ein Mann hat auf mehrere Gäste eingestochen, offenbar wahllos. Zeugen berichten von einem zweiten Gegenstand – einem Stockdegen, einer martialischen Waffe, die eher an vergangene Jahrhunderte erinnert als an das Nachtleben in Nordrhein-Westfalen.

Die Polizei spricht nicht mehr von einem Angriff, sondern von einem geplanten Anschlag. Der Täter, dem die Flucht gelang, hinterließ einen Rucksack mit beunruhigendem Inhalt: brennbare Flüssigkeit, weitere Waffen – und ein offizielles Dokument, das auf einen syrischen Staatsangehörigen ausgestellt ist. Die Mordkommission, intern als „Kurfürst“ bezeichnet, hat die Ermittlungen übernommen. Sie arbeitet mit Hochdruck, denn der Täter ist weiterhin flüchtig – und bewaffnet.
Der Messer-Syrer von #Bielefeld lebte zwischen Kuhwiesen und Freibad in einem zum Flüchtlingsheim umfunktionierten Bauernhof. Die Polizei durchsuchte das Gebäude. NIUS ist vor Ort!https://t.co/4xucNrDq4C pic.twitter.com/qxrvABfJ0s
— NIUS (@niusde_) May 18, 2025
Fünf Menschen wurden verletzt, zwei schweben in Lebensgefahr. Die Opfer sind jung, zwischen 23 und 27 Jahre alt. Sie hatten keine Chance. Der Angriff kam aus dem Nichts, ohne Vorwarnung. Doch die Nachbereitung zeigt: Der Täter kam nicht zufällig vorbei. Er kam mit Absicht.
Der Ort, die Tageszeit, die Wahl der Waffen – all das deutet darauf hin, dass hier nicht der Alkohol oder eine spontane Aggression das Motiv war. Sondern Berechnung. Ob politische oder religiöse Ideologie eine Rolle spielt, ist bislang nicht bestätigt. Aber der Verdacht steht im Raum. Und die Reaktion der Behörden spricht Bände.
Denn in Fällen wie diesem greifen Polizei und Staatsanwaltschaft nicht zum Begriff „BAO“ – „Besondere Aufbauorganisation“ – wenn es sich nur um eine Kneipenschlägerei handelt. Eine BAO bedeutet: höchste Alarmstufe. Hier wird mit allem ermittelt, was der Rechtsstaat zu bieten hat. Koordiniert, vernetzt, mit Blick auf mögliche Hintergründe, die weit über Bielefeld hinausreichen.
Dabei rückt erneut eine unbequeme Wahrheit ins Blickfeld: Die Warnungen vor potenziellen Gefährdern, die sich im Inneren der Gesellschaft radikalisieren oder bereits radikalisiert haben, mehren sich. Sicherheitsbehörden sprechen seit Monaten von wachsender Gefahr durch Einzeltäter mit islamistischem, antisemitischem oder antiwestlichem Weltbild. Es ist die neue Form des Terrors: improvisiert, aber nicht unvorhersehbar. Dezentral, aber brandgefährlich.
Dass der Täter in Bielefeld eine Flasche mit entzündlicher Flüssigkeit mit sich trug, lässt kaum Zweifel daran, dass das Messer nur der Anfang hätte sein können. Was wäre passiert, wenn ihn niemand gestoppt hätte? Wenn er den Rucksack nicht verloren hätte? Die Tatsache, dass er von Gästen der Bar niedergeschlagen wurde, hat möglicherweise Schlimmeres verhindert.
Doch was bedeutet dieser Angriff für das Sicherheitsgefühl – nicht nur in Bielefeld? Für Menschen, die sich abends in einer Bar treffen wollen, zum Feiern, zum Tanzen? Die Vorstellung, dass ein Attentäter durch die Straßen läuft, bewaffnet mit Klinge und Flamme, ist kaum zu ertragen.
Dass die Ermittler auf einen syrischen Aufenthaltstitel gestoßen sind, wird die Debatte weiter anheizen. Es braucht hier keinen Generalverdacht – aber eine ehrliche Analyse. Denn zu lange wurden Warnzeichen ignoriert, Probleme mit religiösem Fanatismus und politischem Extremismus kleingeredet. Nicht alle Gefährder tragen Bombengürtel. Manche tragen einen Spazierstock mit Klinge.
Die Fahndung läuft. Der Täter gilt als gefährlich. Die Polizei bittet die Bevölkerung um höchste Vorsicht – und darum, den Mann keinesfalls selbst zu stellen, sondern sofort den Notruf zu wählen. Wer dieser Mann ist, was ihn antrieb, wer ihm half oder ob er allein handelte: All das muss geklärt werden. Aber eines steht schon jetzt fest: Bielefeld ist nicht nur um einen Albtraum reicher. Es ist ein Symbol für eine Bedrohung, die näher ist, als viele glauben.