Merkel-Buch: Freiheit, die fehlt

In der vergangenen Woche mussten wir Merkel-Festspiele über uns ergehen lassen, die alle staatsnahen Medien anlässlich des Erscheinens von Merkels 700-Seiten-Wälzer veranstalteten, der ausgerechnet den Titel „Freiheit“ trägt. Im Deutschen Theater, in dem die Auftaktveranstaltung stattfand, gaben sich Merkels willige Helfer ein Stelldichein, um zu lauschen, was Jan Fleischhauer als „unfassbare Ödnis“ bezeichnete. Man bildete sogar brav Schlangen vor dem Büchertisch, um der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass sie sehnsüchtig auf das Werk der Ex-Kanzlerin gewartet hatte und die Bücher weggehen würden wie warme Semmeln. Diese Inszenierung hat schon mal nicht geklappt. Am ersten Tag verkaufte sich das Buch nur 35.000-mal, wobei nicht gesagt wurde, welche Institution wie viele Bücher gekauft hatte, um die Zahlen in die Höhe zu treiben. Das werden wir wohl nie erfahren. Der Verlag soll die Rechte für schwindelerregende 12 Millionen Euro gekauft haben. Wir dürfen gespannt sein, wie das wirtschaftliche Ergebnis am Ende aussieht. Vielleicht erleben wir eine der Pleiten, die in Deutschland inzwischen alltäglich geworden sind und die ihren Ursprung in den politischen Weichen haben, die in den Merkel-Jahren gestellt wurden.

Nach Merkels Abgang, den sie selbst gewählt hat, weil sie klug genug ist, zu wissen, dass ihren Nachfolgern die Folgen ihrer Abbruch-Politik um die Ohren fliegen, war mir klar, dass sie nun den Kampf um ihr Bild in der Geschichte aufnehmen würde. Wie sie eingeschätzt werden will, demonstrierte sie, als sie sich von Bundespräsident Steinmeier das Großkreuz der Bundesrepublik Deutschland umhängen ließ. Aber ein Großkreuz macht noch keine große Kanzlerin. Das hätte sie von Abraham Lincoln lernen können: „Man kann das ganze Volk eine Zeit lang täuschen, und man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, aber man kann nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen.“

Während ihre Fans (ja, die gibt es noch) heftig ihr schönes neues Kleid loben, ist die Kanzlerin längst nackt. Die Botschaft ist nur noch nicht überall angekommen. Deshalb habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, dem Merkel-Mythos die Realität entgegenzuhalten. Die Geschichte hat bewiesen, dass früher oder später sich die Fakten als stärker erweisen als die Erzählungen, die man um sie herumrankt, um sie den Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen.

Ich habe Merkel Anfang März 1990 kennengelernt und sie 25 Jahre aus der Nähe erlebt. Für mich ist die Frau kein Rätsel, sondern eine der ersten Politikerinnen neuen Typs, denen es nicht mehr um das Land, die Partei oder Themen geht, sondern nur um die Karriere. Merkel ist ein krasser Fall, denn sie musste eine Partei als Karriereleiter benutzen, die sie abgelehnt und zum Schluss offen abserviert hat, als der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte. Allerdings erwies sich die politische Kröte, die Merkel schlucken musste, für sie als Glücksfall. In keiner anderen Partei hätte Merkel so einen Aufstieg hinlegen können wie in der CDU.

Was die Themen betrifft, so kann man bei Merkel zu fast all ihren Aussagen das Gegenteil finden: Multikulti ist gescheitert, Multikulti (Vielfalt!) ist alternativlos, Kernenergie ist unverzichtbar, Kernenergie muss sofort abgeschaltet werden, Einwanderung muss begrenzt, darf nicht begrenzt werden. Es ließen sich zahlreiche weitere Beispiele ergänzen. Merkel hat ihre Entscheidungen selten selbst verantwortet. Sie hat Ethikkommissionen über den Ausstieg aus der Atomenergie oder über die Corona-Maßnahmen entscheiden lassen, oder sie versteckte sich hinter wissenschaftlichen Institutionen wie der Leopoldina, die in einer „Ad-hoc-Stellungnahme“ einen „harten Lockdown“ forderte, den Merkel durchboxen wollte. Wenn sie selbst entschieden hat, war das sichtbar undemokratisch, wie ihre Grenzöffnung, auch für Migranten ohne oder mit sichtbar gefälschten Papieren, oder die Rückgängigmachung der Thüringer Ministerpräsidentenwahl.

Schon als Ministerin für Frauen und Jugend legte sie dem Kabinett ein Gesetz vor, das eine Beweislastumkehr vorsah. Unternehmer sollten beweisen müssen, dass sie eine Frau nicht ablehnen, weil sie eine Frau ist. Als sie im Kabinett damit scheiterte, vergoss Merkel Tränen. Diese Episode erhellt Merkels Verhältnis zum Rechtsstaat. Auch hier könnte man zahllose Beispiele ergänzen. Sie werden sie in meinem Buch finden. Das Ergebnis der Merkel-Jahre ist ein Staat auf dem Abstieg, der sich mit jedem Tag beschleunigt.

Was fehlt, ist Freiheit. Die wurde, wie es Marius Müller-Westernhagen in seinem Lied besingt, wieder abbestellt. Und zwar von einer Frau, die wie kein anderer von der Freiheit profitierte, die von den Herbstrevolutionären 1989 erkämpft wurde. Aus einer Freiheitsmedaillenempfängerin, die ihr von Präsident Obama umgehängt wurde, wird keine Freiheitskämpferin. Merkel und Obama haben ein Jahrzehnt lang den Zeitgeist bestimmt, aber kein Projekt, für das sie in Erinnerung bleiben werden. Und von Merkel bleibt nur eins: Als Resultat ihrer „alternativlosen“ Politik entstand die „Alternative für Deutschland“. Wer immer Merkel dazu geraten hat, auf dem Buchcover AfD-Blau zu tragen, hatte damit nicht Unrecht. Die Wirklichkeit ist gemein, sie tritt auch manchmal durch die Hintertür ein.

Mein Buch zu Merkel können Sie hier vorbestellen. 

Merkel-Buch: Freiheit, die fehlt – Vera Lengsfeld

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