Der demokratische Aufstand ist niedergeschlagen. Thüringen wird wohl auch künftig von der früheren SED regiert. Noch sind Fragen der Landtagsgeschäftsordnung zu klären, um den abgewählten Bodo Ramelow wieder zu inthronisieren. Und noch muss die Landes-CDU zur Kollaboration bewegt werden. Doch kaum jemand zweifelt daran, dass dies gelingt. Für die Kanzlerin mögen derlei Formalitäten nur lästige Begleiterscheinungen der Demokratie sein. Denn um den Gesellschaftsumbau voranzubringen, musste sie nicht mehr tun, als aus dem fernen Afrika verlauten zu lassen, die demokratische Wahl eines Ministerpräsidenten durch frei gewählte Abgeordnete sei „unverzeihlich“. Den Rest erledigten ihre außerparlamentarischen Truppen in den Redaktionen. Fast spielt es da keine Rolle mehr, ob es zutrifft, dass Merkel mit der Aufkündigung der Koalitionen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gedroht hatte, sollte die FDP ihren frisch gewählten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich nicht zur Aufgabe zwingen können. Sicherheitshalber war die ANTIFA aufmarschiert, um der FDP und Kemmerichs Familie klar zu machen, dass man auch in Thüringen die Demokratie keinesfalls dulden werde. Dabei hatte es für einen flüchtigen Augenblick so ausgesehen, als hätten die Verfechter der demokratischen Ordnung, also das aus Sicht der selbsterklärten „Progressiven“ unbelehrbare Heer Ewiggestriger, eine kleine Chance. Doch das rasche Einlenken der um die Anschlussfähigkeit an den sozialistischen Block fürchtenden Partei des frisch Gewählten machte alle Hoffnungen zunichte, die Demokratie könne von Thüringen aus verteidigt werden.
Die polit-mediale Treibjagd auf Kemmerich und alle, die seine Wahl als demokratischen Akt einordnen, ist nicht weniger, als der öffentliche Aufruf zur Vernichtung, wissend, dass linke Extremisten dies durchaus wörtlich zu verstehen im Stande sind. Und auch Merkel lässt keinen Zweifel daran, dass sie jeden zu „eliminieren“ gedenkt, der aus dem Kollektiv ausschert. Da genügt bereits eine unbedachte Gratulation oder auch nur die zu wenig überzeugend vorgetragene Empörung, um die eigene Karriere zu beenden. Blanke Panik hat die Amts- und Mandatsträger daher erfasst. Wer nicht schnell genug widerruft, ist weg vom Fenster. Das musste auch der „Ostbeauftragte“ Christian Hirte erfahren. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium hatte sich nicht mehr zuschulden kommen lassen, als Kemmerich zur Wahl zu gratulieren, einem angesehenen Unternehmer übrigens, der über einen tadellosen Ruf verfügt und jenem politischen Partner angehört, mit dem die CDU im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen regiert. Hirte musste seinen Hut nehmen. Gerade noch rechtzeitig scheint hingegen Dorothee Bär der Ketzerei abgeschworen zu haben: Die Bundesministerin für Digitalisierung löschte ihre Twitter-Gratulation an Kemmerich und entschuldigte sich für ihren „Fehler“. Sie darf offenbar bleiben. Es sind diese, den Bürgern der ehemaligen DDR nur allzu vertrauten Reflexe, die verdeutlichen, wie nah die Rückkehr des Unterdrückungsstaates ist. Auch der zunehmende Galgenhumor angesichts der empfundenen Hilflosigkeit ist aus DDR-Zeiten bestens bekannt. Hans-Peter Friedrich, Ex-Bundesminister und CSU-Vizepräsident des Deutschen Bundestags, griff dabei den FDP-Leitspruch „Denken wir neu“ süffisant auf.
Seit der Absetzung des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen wissen wir, dass Merkels Säuberung auch vor höchsten Staatsämtern nicht Halt macht. Dass längst der gesamte bürgerliche Teil der Berufspolitik bangen muss, wenn er sich dem Kollektiv der extremen Linken nicht fügt, sollte allerdings auch dem Letzten deutlich machen, was in unserem Land geschieht. Zu den beständigen Mahnern gehört seit vielen Jahren die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. Sie weiß aus eigenem Erleben einschließlich ihrer Verhaftung durch die Stasi, wie eng das Netz bereits über die Republik geworfen ist, mit dem der Weg zurück in den Unrechtsstaat bereitet wird. Vera Lengsfeld macht uns aber auch Mut, weil sie gemeinsam mit Hunderttausenden tapferen Demokraten das Regime zu Fall bringen konnte. Ihr aktuelles Interview ist daher Warnung und Ansporn zugleich. Brisant ist indessen, dass bereits im November 2019 das unmissverständliche Angebot des Thüringer AfD-Vorsitzenden auf dem Tisch lag, eine „von meiner Partei unterstützte Minderheitsregierung“ mitzutragen. Das mir vorliegende Schreiben an CDU und FDP dürfte den jeweiligen Bundesparteien lange vor der Wahl des Ministerpräsidenten bekannt gewesen sein. Sie dürften daher eine Vorstellung davon gehabt haben, was sich an jenem 5. Februar 2020 ereignen würde. Das gilt nicht zuletzt für die gewiefte Taktikerin Merkel, die ihr Handwerk in der SED-DDR gelernt hat. So ist die ganze Posse wohl nicht mehr als ein Theaterstück, das seinen Zweck am Ende erfüllt hat: Deutschland solidarisiert sich ausgerechnet mit jenen Parteien, die den Staatsumbau vorantreiben. Thüringen liefert dafür das perfekte Alibi.
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