Verbreitet Lorenz Maroldt Falschaussage zur Migration?

Wikimedia Commons, Conny, CC-BY-SA-3.0
Offener Brief an die Redaktion von Radioeins von Dr. Wolfgang Hintze

Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Herr Maroldt,

im heutigen Schönen Morgen bei Radioeins hat Lorenz Maroldt in seinem Kommentar zum Gipfel des Kanzlers mit den Länderchefs folgendes gesagt:

“[20]22 sind deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland gekommen als 2015. Es gibt also keinen Grund zur Hektik.”

Das kam mir seltsam vor.  Denn wenn das stimmt, warum ist dann jetzt die Migration überall Thema, warum fand der Scholz-Gipfel statt, warum sagt Maroldt selber, dass Deutschland an einem “Wendepunkt in der Migrationspolitik angekommen ist” und dass Merkels “Wir schaffen das” in “wir schaffen das ab” transformiert wird?

Ich habe nachgeschaut: die Zahl der jährlich nach Deutschland gekommenen Zuwanderer betrug laut statista [1]

2015: 2.136.954
2022: 2.665.772

2022 lag die Zahl also um etwa 25% höher als 2015, und es war sogar das globale Maximum der Zuwanderung überhaupt.

Das heißt: wenn Lorenz Maroldt die Zuwanderung meinte, ist seine Aussage eine Falschaussage.

Spitzfindige Zeitgenossen könnten zwar anmerken, dass Maroldt nicht von Zuwanderern, sondern von Flüchtlingen gesprochen hat. Aber in Rede stehen selbstverständlich alle Zuwanderer, deren Versorgung Deutschland belastet. Maroldt selber nennt sie später einheitlich Schutzbedürftige.

Man kann also getrost von einer inhaltlichen Falschaussage sprechen, denn die Zahl der zu versorgenden war bisher noch nie höher als 2022.

Angesichts dessen nenne ich Maroldts Fazit “Es gibt also keinen Grund zur Hektik.” eine gefährliche Verharmlosung der Situation. Warum machen Sie das, Herr Maroldt?

Zwei Anmerkungen:

Erstens erwarte ich vom Chefredakteur der Hauptstadtzeitung, dass er die Zahlen kennt, und deshalb von der Verbreitung von inhaltlichen Falschaussagen (auch im Singular) absieht.

Zweitens finde ich es unangemessen, wenn die Moderation diese inhaltliche Falschaussage kommentarlos hinnimmt. Einer der beiden Doppelmoderatoren hätte ja schon mal kurz recherchieren können. Und ich denke, auch vermittels eines Kommentars, der ja eine Meinungsäußerung ist, die “nicht automatisch der Einschätzung der Redaktion entspricht”, darf der ÖRR keine inhaltlichen Falschaussagen verbreiten.

Als Hörer und als Bewohner der Heimatstadt des Tagesspiegels erwarte ich jetzt eine deutlich hör- und lesbare Richtigstellung, und eine Antwort auf meine Mail.

Mit Dank im Voraus und freundlichen Grüßen,

Dr. Wolfgang Hintze

Verbreitet Lorenz Maroldt Falschaussage zur Migration? – Vera Lengsfeld (vera-lengsfeld.de)