Zurück in die Steinzeit: Fernsehsender eingestellt und Chefredakteur verhaftet, weil er Film mit Kussszene ausstrahlte

Islamisten, hier in London, sind “westliche Filme” häufig ein Dorn im Auge.

Der algerische Privatfernsehsender El Adjwaa TV wurde am 14. November von der Regulierungsbehörde für audiovisuelle Medien (Arav) endgültig geschlossen. Diese Entscheidung erfolgte, nachdem der Sender am Vortag einen Film mit „beleidigenden Szenen, die gegen die Werte unserer Gesellschaft und unsere Religion verstoßen“ ausgestrahlt hatte, wie es in der Erklärung der Arav hieß. Diese „Verstöße“ seien „hauptsächlich auf die Nichtbeachtung der Besonderheiten der algerischen Gesellschaft sowie auf die Verletzung der öffentlichen Sitten durch die Ausstrahlung von unmoralischen Inhalten und Szenen, die den gesellschaftlichen Werten widersprechen, zurückzuführen“, fügte der Gendarm der audiovisuellen Medien hinzu. Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass in Nordafrika der radikale Islam immer stärker an Macht gewinnt.

Chefredakteur und Journalisten verhaftet

Aber nicht nur das: Tatsächlich ordnete der Untersuchungsrichter beim Gericht Sidi M’hamed in Algier an, den Chefredakteur des Fernsehsenders El Adjwaa TV in Untersuchungshaft zu nehmen.

Das Gericht in Sidi M’hamed beließ es nicht dabei. Es stellte auch eine Journalistin und Koordinatorin bei El Adjwaa unter richterliche Aufsicht. Auch andere Mitarbeiter des Fernsehsenders sollen in den nächsten Stunden angehört werden, um Licht in die „Entgleisung“ des TV-Mediums zu bringen.

In einer Erklärung auf seiner Facebook-Seite räumte der Sender „einen schweren Fehler“ ein, nahm die endgültige Schließung des Senders zur Kenntnis und entschuldigte sich bei „seinen Zuschauern und dem gesamten algerischen Volk“. Die Szene, die zur endgültigen Abschaltung des Senders führte, spielt sich in einer Schlafzimmerkulisse ab. Ein Mann in Shorts küsst eine Frau, deren BH er gerade geöffnet hat, sodass ein Teil ihrer Brust zu sehen ist.

El Adjwaa TV ist ein am 5. Oktober 2013 gestarteter allgemeiner Fernsehkanal mit Sitz in London und gehört Bouchakor Zoubiri, der auch die Zeitung El Adjwaa besitzt, die er 2006 in Oran gegründet hatte.

Algerien legt Islam-Gesetze rigoros aus

Für den Regisseur Bachir Derrais, dessen 6 Millionen Euro teures Biopic über Larbi Ben Mhidi, den Helden der algerischen Revolution, seit Jahren von den Behörden blockiert wird, gehorchen die Machthaber einfach dem „Diktat der Gesellschaft“. „Die Entscheidungsträger haben dem Druck der Volksmassen nachgegeben“, schreibt der Filmemacher auf seiner Facebook-Seite. „Dieser Sender hat einen alten Actionfilm mit einer alten, kaum sichtbaren DVD-Kopie ausgestrahlt und in einer der Szenen dieses Films sieht man ein Paar, das sich küsst.

Innerhalb weniger Stunden hat diese Geschichte einen Aufschrei in den sozialen Netzwerken ausgelöst“ mit der Begründung, dass „der Sender einen pornografischen Film ausgestrahlt hat“, fährt Bachir Derrais fort und schließt seinen Kommentar mit dem Hinweis, dass vor 50 Jahren ein algerischer Regisseur, in diesem Fall Moussa Haddad, fast die gleiche Szene in dem Film Les Vacances de l’inspecteur Tahar gefilmt hat.

Dies ist nicht das erste Mal, dass die algerischen Behörden beschließen, einen Fernsehsender zu schließen. Im August 2021 waren zwei weitere im Ausland ansässige Satellitenkanäle endgültig geschlossen worden. Der im Oktober 2020 gestartete, privatrechtlich organisierte Vollprogrammkanal Lina TV wurde mit der Begründung geschlossen, er habe „nie eine vorherige Zulassung für die Ausübung seiner audiovisuellen Tätigkeit in Algerien erhalten“ und arbeite daher „außerhalb der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen“, so das Kommunikationsministerium.

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