Tellkamp-Buch: Bittere Niederlage für die Rezensenten – Sein Werk “Der Schlaf in den Uhren” liegt auf dem dritten Platz der „Spiegel“-Bestsellerliste

Das seit Mitte Mai auf dem Markt befindliche Buch von Tellkamp entwickelt sich zum Verkaufsschlager. Es geht ähnlich gut über den Ladentisch wie 2008 der Tellkamp-Roman Der Turm, der mit mehr als einer Million verkaufter Exemplare sogar den Spitzenplatz auf der Bestsellerliste des Hamburger Wochenmagazins „Der Spiegel“ erklomm. Dazu gab es zahlreiche Literaturpreise, allen voran den Deutschen Buchpreis.

Mittlerweile sind die Zeiten rauer geworden. Alle großen Medien haben den Schlaf in den Uhren besprochen, und das Urteil der Rezensenten fällt durchwegs negativ aus, von der „Süddeutschen Zeitung“ (literarisch missglückt) bis zur „Neuen Zürcher Zeitung“ (Ein ziemlicher schlechter Roman). Trotzdem der enorme Verkaufserfolg.

Was mag der Grund hierfür sein? Beobachter vermuten eine Art Emanzipationsprozess der interessierten Leserschaft, die sich immer weniger von vermeintlich objektiv verfassten Buchbesprechungen leiten lässt. Im Fall Tellkamp ist dies augenscheinlich: Der Roman des als „rechts“ punzierten Schriftstellers wird von den Rezensenten mitnichten einer Literaturkritik unterzogen, sondern einer Gesinnungskritik.

Nicht der Gedanke und seine sprachliche Form werden beurteilt, sondern die Grundhaltung des Autors. Wenn sich etwas finden lässt – am liebsten außerhalb des in Rede stehenden Buches –, woraus sich Erregung saugen lässt, dann geht es der Gesinnung ans Messer. Ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Sätze, trübe Vermutungen – das alles bereitet dem Rezensenten viel weniger Arbeit als echte Literaturkritik. Denn da muss man den Inhalt des Buches auf stringente wie auch flüssige Gedankenführung, stilistische Qualität und Verständlichkeit abklopfen. Eine mitunter mühsame Sache.

Im Fall Tellkamp erregt der 2018 geäußerte Satz, 95 Prozent der Geflüchteten seien nicht nach Deutschland eingereist, sondern in dessen Sozialsystem, Anstoß bei den Haltungsjournalisten. Dafür, so verlangt es das zeitgeistige Feuilleton unserer Tage, dafür also müsse sich der Mann schämen. Genauso wie Martin Walser für seinen vorgeblichen Antisemitismus im Roman Tod eines Kritikers, weil der tote Kritiker Ähnlichkeit mit dem Juden Marcel Reich-Ranicki besaß; schämen müsse sich auch Christian Kracht, Autor des Werkes Imperium, für seine Romanfigur August Engelhardt, denn der sei Vegetarier und Sektenguru. Wie Adolf Hitler.

Schließlich habe sich auch Monika Maron voller Beschämung ins Winkerl zu stellen, da sie in ihrem Buch Munin oder Chaos im Kopf  fehlende Deutschkenntnisse mit Kriminalität und Drogenabhängigkeit in Verbindung bringe. Ingo Schulze (Die rechtschaffenen Mörder) hingegen braucht sich für seinen Buchhändler Paulini nicht schämen. Paulini regt sich fast wortgleich wie Monika Marons Taxifahrer über die angebliche Bevorzugung von Migranten auf, aber Schulze lässt seine Romanfigur vom Felsen in den Tod stürzen.

Der Tod, so insinuieren politisch-korrekte Rezensenten, sei doch das, was der Feind – hier: der rechte Ausländerfeind – verdiene, als einzig gerechte Strafe. Quasi: Tod dem Todfeind. Gratulation! So hat es auch schon Andrei Wyschinski, Stalins Chefankläger bei den Moskauer Schauprozessen, gesehen.

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